Yoga und die Faszien

Faszien haben über viele Jahre ein Nischen-Dasein geführt. Doch das hat sich geändert, denn es gibt im Grunde keinen neuen Bewegungstrend, der nicht ohne dieses Schlagwort auskommt. Doch was sind Faszien eigentlich, und welche Aufgaben und Funktionen haben sie? Und kann Yoga auf die Faszien einwirken?

“Faszie bezeichnet die Weichteil-Komponenten des Bindegewebes, die den ganzen Körper als ein umhüllendes und verbindendes Spannungsnetzwerk durchdringen.”

http://de.wikipedia.org/wiki/Faszie

Welche Funktion haben Faszien?

Faszien sind ein wesentlicher Teil des Binde- und Stützgewebes des Körpers. Sie bestehen aus wässrig eingelagerten Kollagen- und Elastinfasern, die sich netzwerkartig durch den Körper hindurchziehen.

Im Generellen haben sie die Funktion, dem inneren Körper Spannkraft und Elastizität zu verleihen, den Strukturen Halt zu geben und die Kraftübertragung zu unterstützen. Weiterhin geben sie Rückmeldungen zum Körperempfinden.

Dabei haben sie sehr unterschiedliche Erscheinungsformen und Aufgaben:

  • Sie umschließen Organe, Drüsen und neurovaskuläre Bahnen.
  • Sie hängen die inneren Organe auf und betten sie in die umliegenden Körperstrukturen ein.
  • Sie verdichten sich als großflächige Sehnenplatten und dienen als sehniger Ansatz der Muskulatur. 
  • Sie dienen als Wasserreservoire und regulieren den Feuchtigkeitshaushalt.
  • Sie fungieren als Durchgang für Lymphe, Blutbahnen und Nervenstrukturen.
  • Sie umhüllen die Muskulatur wie eine Haut, und unterstützen die Funktionalität des Muskelgewebes.
  • Sie schenken über langkettige Verbindungslinien hinweg mehr Spannkraft und Elastizität.
  • Sie sind von einer Vielzahl sensorischer Rezeptoren durchzogen, die Druck und Zugspannung, Schmerzreize, Bewegungsänderungen und Temperaturschwankungen wahrnehmen können.

Können Faszien trainiert werden?

Eine Besonderheit der Faszien ist, dass sie ihren Aufbau und ihre Struktur sehr gut an die herausfordernden körperlichen Belastungen anpassen können.

Werden Faszien unter Zugspannung gesetzt, dann passt sich deren Gewebe an die dominanten Zugrichtungen des Körpers an. Ihre Faserstrukturen werden gerichtet und gespannt, und das Bindegewebe wird fester.

Bei Bewegungsmangel bildet sich die Zugfestigkeit und Elastizität des Bindegewebes zurück. Die Fasern des Fasziengewebes sind eher ungerichtet, verfilzt und verklebt. Als Folge können – beispielsweise aufgrund des hohen Anteils an Schmerzrezeptoren im Fasziengewebe – lokale Schmerzempfindungen auftreten.

Übungsmethoden für die Faszien.

Verschiedene Publikationen verweisen auf vier zentrale Methoden für ein Training des myofaszialen Netzwerks:

  • Federnde Bewegungen praktizieren
    Sehnen und Faszien werden dynamisch gefedert, um abwechselnd Bewegungsenergie zu speichern und diese wieder abzugeben.
  • Langgliedrige Ketten dehnen
    Über einzelne Muskelstrukturen hinausgehend werden langgliedrige Strukturen gedehnt. In Vorbeugen werden beispielsweise die Faszienverläufe von den Fußsohlen über die Beinrückseiten, den Rücken entlang bis über den Kopf hinweg zum Gesicht gedehnt.
  • Strukturen beleben
    Über Massagen, Faszienrollen, Igelbälle etc. können durch das externe Ausüben von Druck die Strukturen des Bindegewebes massiert, die Durchblutung gefördert und Verspannungen gelöst werden.
  • Die Körperwahrnehmung verbessern
    Ein großes Ziel des Faszientrainings ist es, die Eigenwahrnehmung in Bezug auf den Körper zu verbessern: Wie fühlt er sich an? Wo spüre ich Enge und Weite? Wie fühlt sich Anspannung an, und wie Entspannung? Was passiert, wenn ich den Arm hebe? …

Wirkt Yoga auf die Faszien?

Die oben genannten Übungsmethoden wurden im Wesentlichen von Sportwissenschaftlern und Medizinern entwickelt. Gleichwohl zeigen sie sehr deutlich die Schnittstellen zum Yoga.

Im Besonderen erreichen wir durch das multidimensionale Bewegen im Yoga die Faszienstrukturen des Körpers. Die Bewegungspraxis ist förmlich auf das Aktivieren der Faszien ausgerichtet, denn wir wechseln zwischen Vorbeugen, Seitbeugen und Rückbeugen; bauen Drehhaltungen ein und erreichen dadurch auf ganzheitliche Weise die langen Faszienketten unseres Körpers.

Des Weiteren ist der Fokus auf das innere Spüren und Erleben ein wesentlicher Aspekt des Yoga. Wir praktizieren nicht nur Haltungen und Bewegungen, sondern lenken dabei immer wieder die Aufmerksamkeit nach innen. Wir erfahren unseren Leib, unsere Atmung und unsere Geisteshaltung im Verlauf der Übungspraxis.

Da jedoch die Yogapraxis eher selten aus federnden und schnellen Bewegungsabläufen besteht, erscheint es vor dem Hintergrund des Faszientrainings sinnvoll, auch diese Elemente ab und zu in den Yogaunterricht zu integrieren. 


Quellen:

Müller, D.G.; Hertzer, K.: Training für die Faszien: Die Erfolgsformel für ein straffes Bindegewebe. Südwest Verlag, 2015.

Schleip, R.; Findley, T.W.; Chaitow, L.; Huijing, P.A.: Lehrbuch Faszien. Urban & Fischer, 2014.