Es ist schön, dass du dich für Yoga interessiert. Sicherlich hast du schon eine ungefähre Vorstellung davon, was dich erwarten könnte – oder kennst ein paar Berichte von Freunden und Bekannten.
Ich habe dir diesen Beitrag geschrieben, da mir zu Beginn meiner Yogaerfahrungen die gleichen Fragen durch den Kopf schwirrten. Und ich habe versucht, hoffentlich klärende Antworten zu finden.
1. Was ist Yoga?
Der Begriff Yoga entstammt aus dem Sanskrit, einer uralten indischen Gelehrtensprache. Yoga bzw. योग wird häufig als “verbinden” oder “vereinigen” übersetzt und kann in diesem Sinne auch verstanden werden, denn Yoga möchte sowohl den Körper, den Geist und die Atmung miteinander vereinigen, als auch das Bewusstsein mit dem Hier und Jetzt – der Gegenwärtigkeit – verbinden.
Im traditionellen Sinne wird unter Yoga eine philosophische Strömung verstanden, die ca. 4.000 Jahre vor Christus im Industal entstand, und in der die Techniken der Achtsamkeit und der Meditation verinnerlicht wurden. Im Laufe der Geschichte gewann die yogische Philosophie zunehmend an Bedeutung und verdrängte die damals vorherrschenden philosophischen Systeme des Sāṃkhya und des Vedānta.
Die ersten Verschriftlichungen darüber, was Yoga definiert und wie es praktiziert wird, wurden von Patañjali im 2. Jahrhundert vor bzw. nach Christus verfasst. Diese Quelltexte sind noch heute für viele Yogarichtungen von zentraler Bedeutung. Patañjali - welcher entweder ein Gelehrter oder eine Gelehrtenschule der damaligen Zeit war – definierte in seinen Merksätzen, den so genannten Yogasūtra:
योग: चित्त-वृत्ति निरोध
yogaś citta-vṛtti-nirodhaḥ
Yoga ist der Zustand, in dem der Geist die Stille erfährt
(Patañjali Yoga Sutra, I.2)
Diese Definition ist die älteste und bekannteste über Yoga.
2. Was unterscheidet Yoga von Hatha Yoga?
Wie oben erwähnt, handelte sich sich im ursprünglichen Sinne bei Yoga um eine rein meditative und philosophische Strömung. Das Ziel war es, den Geist von den Verlockungen der materiellen Welt zu befreien, und zur inneren Ruhe und Einkehr zu finden. Yoga zu üben bedeutete also im Wesentlichen, eine jahrelange Meditationspraxis mit abwechselnden philosophsichen Unterweisungen des Lehrers (Gurus) zu praktizieren, mit dem Ziel der Erkenntnis und Erleuchtung. Der Körper spielte hierbei kaum eine Rolle – im Gegenteil sogar: Ein vernachlässigter und gepeinigter Körper voller Schmerzen zeugte von der Erhabenheit des Geistes.
Um 900 nach Christus entfaltete sich in Indien eine philosophische Revolution: Der zentrale Ansatz verlagerte sich vom Geist hin zum Körper, der nunmehr als Mikrokosmos des Göttlichen angesehn wurde. Ein gesunder Körper kann einen gesunden Geist entfalten – und so veränderte sich das Konzept des Yoga hin zu einer körperlich orientierten Übungspraxis. Die hier zugrundeliegende philosophische Strömung ist Tantra.
Hatha Yoga ist demzufolge im Wesentlichen das körperliche Üben von Yoga. Hier stehen bestimmte Haltungen (so genannte āsana), Bewegungen (kriya) und Atemübungen (prāṇāyāma) im Mittelpunkt. Ziel ist es, den Körper so vorzubereiten, dass er einen bequemen und lebendigen Sitz einnehmen kann, um gut auf die Meditationspraxis eingestellt zu sein.
Die meisten Yogastile, die wir in der westlichen Welt kennen, sind Variationen von Hatha Yoga. Hierunter zählen beispielsweise Iyengar Yoga, Ashtanga Yoga, Anusara Yoga, Bikram Yoga, Power Yoga, Yin Yoga, Vini Yoga, Kundalini Yoga usw.
3. Ist Yoga eine Religion?
Ganz klare Antwort: Nein! Yoga hat und hatte auch nie den Anspruch, sich zu einer religiösen Strömung zu entwickeln.
Gleichwohl entstammt Yoga aus einer Kultur, die eine der ältesten Religionen der Welt hervorbrachte: Den Hinduismus. Daher ist Yoga von hinduistischen Einflüssen durchdrungen und geprägt. Es gibt in den klassischen Bilddarstellungen stets auch Abbildungen von hinduistischen Göttern, und ebenso tragen viele Yogahaltungen die Bezeichnung von Göttern der Hinduswelt.
Weiterhin berufen sich der Hinduismus und auch Yoga auf gemeinsame Quelltexte und heilige Schriften, wie beispielsweise die Veden, und integrieren gleiche Konzepte, wie den tantrischen Shivaismus. Doch Yoga an sich ist keine Religion. Es werden weder Gottheiten angebetet noch Opferrituale erbracht, und es existieren auch keine Vorschriften bezüglich der religiösen oder nichtreligiösen Weltanschauung der Yogaübenden.
4. Was unterscheidet Yoga von anderen Sportarten?
Sport zu machen bedeutet in der Regel, ein Übungsprogramm für den Körper zu praktizieren. Egal ob auf dem Fußballplatz, auf dem Golfplatz oder im Fitnessstudio: Stets wird der Körper trainiert.
Diesen Weg geht Yoga auch – hier gibt es ein breites Spektrum an Haltungen und Bewegungen, um den Körper zu aktivieren. Auf körperlicher Ebene sollen die Muskulatur gekräftigt, der Körper stabilisiert und die Gelenke beweglich gemacht werden. Es gibt Yoga für den Rücken, für die Schultern, für das Sitzen, für die Beine usw.
Doch Yoga geht einen Schritt darüber hinaus. Nach den körperlichen Schwerpunkten beginnen weitere Teile der Yogastunde, in denen die Atmung fokussiert und geübt wird. Durch gezielte Techniken wird das Atemvolumen vergrößert. Die Atmung wird fließender und feiner – und auch Atempausen werden praktiziert.
Dem schließen sich Übungen für die Achtsamkeit und die Meditation an, sodass auch der Geist trainiert wird, und die Möglichkeit bekommt, sich auf das innere Erleben zu konzentrieren, und aus dem ständigen Gedankenstrom für einen Moment auszusteigen. Yoga ist also im Gegensatz zu den meisten Sportarten viel umfassender und ganzheitlicher.
5. Ich bin nicht sonderlich beweglich. Kann ich trotzdem Yoga machen?
Diese Frage wird mir am Häufigsten gestellt. Ich möchte sie gerne über einen kleinen Perspektivwechsel beantworten: Würdest du dich zur Tanzstunde anmelden, auch wenn du kein Profitänzer bist? Würdest du einen Tennislehrer engagieren, auch wenn du noch nie in Wimbledon gespielt hast? Selbstverständlich!
Daher darfst du dich auch zur Yogastunde anmelden, auch wenn du (noch nicht) die Hände unter die Füße schieben kannst. Denn die körperliche Flexibilität und Beweglichkeit ist das Ergebnis, das dir Yoga schenkt, aber keinesfalls die Voraussetzung.
Ein guter Yogalehrer lässt sich auf deine individuellen Fähigkeiten und Fertigkeiten ein. Er gibt Hilfsmittel an die Hand, die dich befähigen, in nahezu jeder körperlichen Verfassung am Yogaunterricht teilhaben zu können.
3. Ist Yoga esoterisch und muss ich da singen?
Nun, das kommt ganz auf den Yogalehrer oder die Yogalehrerin an sowie auf den Yogastil, den du dir aussuchst. Ich kann dir jedenfalls garantieren, dass du bei Power Yoga weder deine Astralschwingungen ausrichten wirst, noch stundenlang Mantras singst.
Andererseits gibt es für diejenigen, die sich eher jenseits der körperlichen Wahrnehmungen auf das Feinstoffliche fokussieren möchten, selbstverständlich auch entsprechende Angebote und Lehrer.
In meinen eigenen Stunden konzentriere ich mich im Besonderen auf das körperliche Erleben und Spüren. Ich habe aber auch eine Klangschale, die ich gerne anschlage und ich singe ab und zu ein Mantra – da dürfen dann diejenigen mitmachen, die gerne singen. Und alle anderen einfach hören und genießen.
8. Ist Yoga anstrengend, oder sitzt man da nur und schwebt herum?
Diese Frage führt uns zu den Erwartungen, die du selbst an Yoga hast. Kommst du zu Yoga, weil du dich regenerieren magst und eine entspannte Auszeit brauchst? Dann suche dir am Besten einen Yogakurs aus, der dir genau das schenkt. Angebracht wären zum Beispiel die Yogastile des Vini Yoga, Yin Yoga oder Restorative Yoga.
Magst du es hingegen aktivierend, körperlich herausfordernd und liebst du die Bewegung? Dann gibt es auch hier entsprechende Yogakurse, beispielsweise Power Yoga, Vinyasa Flow oder Ashtanga Yoga.
Ich selbst mag und praktiziere eine Mischung verschiedener Qualitäten. Die Stunden beginnen ganz ruhig, um im Hier und Jetzt anzukommen, werden dann immer dynamischer und kraftvoller, bis sie wieder sanfter und entspannter werden, um letztlich mit einer erholsamen Auszeit zu enden.
Das wunderbare an Yoga ist, dass es ein überaus flexibles System ist. Von entspannend und beruhigend über aktivierend zu herausfordernd – und genau das ist es, was meinen eigenen Yogaunterricht auszeichnet. Wichtig ist für dich selbst, dass du den Yogakurs und den Lehrer findest, der zu dir passt.
7. Was benötige ich für die Yogastunde?
Generell brauchst du nicht viel an Zubehör, um am Yoga teilnehmen zu können, da wir ohne Geräte, Stepbretter oder zusätzliche Gewichte und nur mit dem Eigengewicht des Körpers praktizieren. Daher sind sportlich-legere Kleidung, in welcher du dich gut bewegen kannst und die dich nicht einengt, angebracht. Weiterhin helle Söckchen – sofern du nicht Barfuß auf der Matte übst. Ebenso noch Mineralwasser oder Tee zum Trinken und ggf. ein Handtuch.
In der Regel stellt das Yogastudio die weiteren Utensilien und Hilfsmittel zur Verfügung: Yogamatte, Sitzkissen, Decke, Klötze und Gurte.
9. Weshalb soll ich 2-3 Stunden vor dem Yogaunterricht nichts Schweres mehr essen?
Die Yogapraxis besteht aus einer Vielzahl von Übungen und Haltungen, beispielsweise intensiven Drehungen, Vorbeugen, Rückbeugen und Umkehrhaltungen. All das wirbelt den Magen durcheinander und es gefällt ihm nicht sonderlich, wenn er noch mit dem Verdauen des Rehrückens beschäftigt ist. Das belastet auch sehr den Kreislauf, da da Blut und die Energie für die Verdauungsprozesse und nicht für die Muskulatur aufgewandt werden.
Daher gilt die Faustregel: 2 – 3 Stunden vor der Yogastunde nichts mehr essen, was nur schwer verdaulich ist.
Solltest du einen schnellen Stoffwechsel haben, und wissen, dass du die Stunde nur mit knurrendem Magen und Rachegelüsten dem Yogalehrer gegenüber überstehen wirst, dann probiere eine halbe Stunde vor dem Yogaunterricht einen Joghurt, ein paar Nüsse oder einen Müsliriegel.
10. Wie oft sollte ich Yoga praktizieren?
Es ist erstaunlich, wie schnell und intensiv Yoga wirkt. Daher ist es für die meisten Menschen in Ordnung, ein bis zweimal die Woche für je 90 Minuten Yoga zu praktizieren. Hierdurch erfahren sie bereits deutliche Verbesserungen in der Körperhaltung und oftmals eine Linderung physischer Beschwerden.
Der klassische Vertrag in einen Yogastudio sieht die Yogastunden im wöchentlichen Abstand vor. Ob dir das ausreicht und genügt, das musst du selbst entscheiden. Du kannst den Vertrag in der Regel ohne großen Aufwand anpassen und beispielsweise in eine Flatrate umwandeln, bei der du so oft teilnehmen kannst, wie du magst (und schaffst).
Wenn du Yoga von Zuhause aus praktizierst, dann empfehle ich dir, dich nicht mit unrealistischen Zielen unter Druck zu setzen. Übe vielmehr in kleinen Einheiten, und das regelmäßig über die Woche verteilt. Dadurch es gut tut, wirst von selbst motiviert sein und dir im Lauf der Zeit der Yogapraxis mehr Raum und Gelegenheiten dafür schenken.
Ich hoffe, dass ich ein paar hinreichende Antworten auf die häufigen Fragen geben konnte, die Neueinsteiger im Yoga häufig beschäftigen. Bitte schreibe mir deine Frage an Yoga, und ich werde mein Bestes geben, sie zu klären. Weiterhin empfehle ich dir – wenn du unsicher bist, ob Yoga überhaupt etwas für dich ist – ein Informationsgespräch mit deinem Yogalehrer und danach eine unverbindliche Schnupperstunde. So kannst du den Yoga finden, der zu dir passt.
Ich wünsche dir alles Gute.